Neue Perspektiven für die Grazer Sozial- und Wohnungspolitik

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Steiermark
20 Jun 09:00 2017 von Redaktion Salzburg Print This Article

Vor rund drei Monaten wurde die neue Grazer Stadtregierung angelobt. Schwarz-Blau hat sich mit der Agenda Graz 22 ein ambitioniertes Programm vorgenommen, das vom ersten Tag an sukzessive vorangetrieben wird. In den vergangenen Monaten wurden in diesem Zusammenhang neue Perspektiven und Leitlinien für die Grazer Sozial- und Wohnungspolitik erarbeitet. Im Rahmen der heutigen Pressekonferenz präsentierten Bürgermeister-Stellvertreter Mario Eustacchio und Sozialstadtrat Kurt Hohensinner sowohl die neuen Richtlinien für Gemeindewohnungen, als auch die Weiterentwicklungen und Neuerungen im Bereich der SozialCard.

Eustacchio: Wachstum bringt Herausforderungen!

Graz erlebt eine sehr dynamischen Entwicklung am Wohnungsmarkt: seit Beginn des 21. Jahrhunderts steigt die Bevölkerungszahl in Graz kontinuierlich. Betrug die Zahl der hauptwohnsitzgemeldeten Personen in Graz gegen Ende der 1990er-Jahre ca. 240.000, so sind aktuell rd 287.000 „Hauptwohnsitzer“ in Graz. Die Grazer Wohnbevölkerung (inkl. Nebenwohnsitzer) beträgt derzeit rd 321.000 Personen. Dieses rasche Wachstum der Bevölkerung bringt auch neue Herausforderungen. In der Gesamtsicht darf auch bei der Entwicklung der Hauptwohnsitze folgendes nicht übersehen werden. Seit 2007 ist der Anteil an Nicht-Österreichern in Graz von ca. 13% auf derzeit rund 22% gestiegen.

Der Stadt Graz stehen derzeit insgesamt rund 11.500 (Sozial-)Wohnungen zur Verfügung, die sich entweder im direkten Eigentum der Stadt befinden, oder die im Wege des Übertragungswohnbaus (mit „Zuweisungsrecht“) errichtet wurden. Dabei ist festzuhalten, dass Graz im Vergleich mit anderen österreichischen Städten in der Kategorie „Gemeindewohnungen pro Einwohner“ Aufholbedarf hat. In Innsbruck und Wien stehen jeweils rund 12,5% je Einwohner an sozialem Wohnraum zur Verfügung, in Linz und Wels sind es über 8%, Klagenfurt liegt bei etwa 5,3% und Graz erreicht nur knapp 4%. Bürgermeister-Stellvertreter Mario Eustacchio: „Vor diesem Hintergund ist auch das klare Bekenntnis der Agenda 22 für eine Soziale Wohnbauoffensive der Stadt Graz zu sehen! Das bedeutet konkret eine Wohnbauoffensive von ca. 26 Millionen Euro bis Ende 2018!“

Wohnen in Gemeindewohnungen in Graz: Ausgangslage bei den Vergaberichtlinien

Hauptanknüpfungspunkte für die Vormerkung und Zuweisung einer Gemeindewohnung durch die Stadt Graz sind der Hauptwohnsitz bzw. die Berufstätigkeit in der Stadt Graz sowie der von der Richtlinie definierte Personenkreis. Vergleichbare Städte, denen allesamt deutlich mehr (gemeindeeigener) Wohnraum zur Vergabe bereit steht, haben im Vergleich zu Graz deutlich höhere Zugangsschranken in das Vormerk- und Vergabesystem. In erster Linie ist es daher notwendig, diese Voraussetzungen entsprechend anzuheben, so dass dem durch die Bevölkerungsverschiebungen der vergangenen 10 bis 15 Jahre entstandenen Ungleichgewicht entsprechend Rechnung getragen wird und der damit einhergehenden Benachteiligung der bereits langfristig in Graz lebenden Bevölkerung entgegengewirkt werden kann.

Wichtige Änderungen bei den Vergaberichtlinien

Die Dauer des Hauptwohnsitzes in Graz wird daher von einem Jahr auf fünf Jahre angehoben. Einem fünf Jahre ununterbrochenen Hauptwohnsitz in Graz gleichwertig ist eine Gesamtdauer des Hauptwohnsitzes von 15 Jahren. Gleichzeitig wurde die Dauer der Berufstätigkeit von null Jahre auf gleichermaßen fünf Jahre angehoben.

Den Personenkreis betreffend wurden insofern Einschränkungen vorgenommen, als neben der österreichischen Staatsbürgerschaft bzw. der nach EU-Recht und völkerrechtlichen Verträgen gleichzustellenden Staatsbürgerschaften – also Staatsbürgerschaften eines EU- oder EWR-Mitgliedstaates sowie der Schweiz – nur noch Drittstaatsangehörige mit dem Titel „Daueraufenthalt – EU“ von der Zuweisungsrichtlinie erfasst sind.

Daraus folgt, dass Asylberechtigten künftig der Zutritt zum Vormerksystem erst ab jenem Zeitpunkt ermöglicht wird, wenn sie sämtliche Voraussetzungen im Sinne des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes (NAG) erfüllt haben und den Titel „Daueraufenthalt – EU“ erlangt haben.

Hohensinner: Bürgerliche Sozialpolitik

„Österreich ist zu Recht stolz auf ein starkes und tragfähiges Sozialsystem, das zu den Besten der Welt gehört. Ich bin davon überzeugt, dass es aber auch gut ist, neue Perspektiven in den Sozialbereich zu bringen. Gemeinsam mit unserem Bürgermeister und unserem Koalitionspartner wollen wir im Rahmen unserer Agenda 22 auch für ganz Österreich vorzeigen, wie bürgerliche Sozialpolitik definiert und gelebt werden kann“, erklärt Sozialstadtrat Kurt Hohensinner. Die SozialCard ist ein wichtiger Beitrag der Stadt Graz zu diesem funktionierenden Sozialsystem. „Als Sozialstadtrat ist es mir besonders wichtig jene zu unterstützen, die sich nicht selbst helfen können“, so Hohensinner, „unser Auftrag an die SozialCard ist nicht nur jener, finanzielle Hilfestellungen zu geben, sondern vor allem auch Menschen mit geringem Einkommen ein möglichst großes Maß an gesellschaftlicher Teilhabe zu ermöglichen.“ Unter diesem Aspekt wurde die SozialCard in den vergangenen Wochen evaluiert. Als Ergebnis dieses Prozesses werden nun im Rahmen des Budget-Gemeinderates neue Richtlinien für die SozialCard eingebracht.

Aktiver Integrationsanreiz

„Wir wollen die SozialCard in drei Bereichen erneuern und reformieren: 1. Bezieherkreis, 2. Struktur, 3. Inhalt“, erklärt der Sozialstadtrat. Der Bezieherkreis wird dahingehend abgeändert, dass für den Erhalt der Sozialcard in Zukunft ein durchgehender Hauptwohnsitz von einem Jahr (bisher sechs Monate) in der Stadt Graz Voraussetzung sein wird. Diese Regelung gilt für Staatsbürger und EU- bzw. EWR-Bürger. Für Drittstaatsangehörige gilt in Zukunft neben der 12-monatigen Meldung in Graz auch die zusätzliche Voraussetzung, dass ein rechtmäßiger, fünfjähriger Aufenthalt in Österreich nachgewiesen werden muss. Diese zusätzliche Verpflichtung entfällt, wenn die betreffende Person ein entsprechendes Sprachniveau (A2) und einen absolvierten Werte- und Orientierungskurs nachweisen kann. „Wir wollen, dass sich jene zugezogenen Menschen, die langfristig in unserer Gesellschaft bleiben werden, auch bestmöglich integrieren. Deshalb war es mir ein wichtiges Anliegen einen entsprechenden Integrationsanreiz zu verankern, der Menschen dahingehend motivieren soll. Grundsätzlich erhöhen wir das Anforderungsprofil für Drittstaatsangehörige. Mit entsprechenden Integrationsaktivitäten kann man aber sicherstellen, dass diese zusätzliche Voraussetzung nicht notwendig ist“, sagt Hohensinner.

Separate Antragstellung und Servicecharakter

Im Bereich „Struktur“ werden zwei der drei freiwilligen Geldleistungen (Weihnachts- und Energiekostenzuschuss (früher Heizkostenzuschuss)), die bis dato im Rahmen der SozialCard automatisch ausbezahlt wurden, an eine gesonderte Antragstellung gekoppelt. Gleichzeitig wird auch der Servicecharakter im Sozialamt stärker umgesetzt. Soziales darf nicht zwangsläufig heißen, dass sich Menschen um Almosen anstellen müssen. Stattdessen wird es für die Sozialcard die Möglichkeit geben, diese Zuschüsse online zu beantragen. Das heißt es wird möglich sein, die Anträge bequem und einfach von zu Hause aus abzusenden. Ebenfalls wird eine Beantragung in den Servicestellen der Stadt Graz möglich sein. Diese Vorgehensweise entspricht auch unserem Menschenbild, dass jeder Mensch als vollwertig angesehen wird. Dementsprechend ist es aus unserer Sicht auch möglich und legitim, eine kleine Handlung von Seiten des jeweiligen Menschen für den Erhalt von Sozialleistungen abzuverlangen. Von dieser Regelung ausgenommen werden Mindestpensionisten, die eine unbefristete SozialCard besitzen und bei denen keine Veränderung der Einkommenssituation zu erwarten ist.

Ebenfalls evaluiert wurde der Bereich „Inhalt“ bzw. die Leistungen der SozialCard. Diese sollen in weiterer Folge ausgeweitet werden, etwa durch verbilligten Zugang für Kinder zu den Grazer Sportvereinen. Hohensinner: „Mit der SozialCard wollen wir eine bestmögliche Partizipation an der Gesellschaft sicherstellen. Dahingehend wollen wir die Leistungen ergänzen und ausbauen.“ Die geänderten Richtlinien zur Sozialcard werden dem Gemeinderat am 29. Juni zur Beschlussfassung vorgelegt und sollen mit 1. Jänner 2018 wirksam werden.


Quelle: Land Steiermark



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