JKU-Standort historisch gesehen: Umfassende Studie zur NS-Zeit

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Foto: Archiv Hermann Rafetseder
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Foto: Archiv der Stadt Linz
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Foto: JKU/Röbl
22 Jun 12:48 2017 von Redaktion Vorarlberg Print This Article

Ausstellung komplettiert 115-seitige geschichtliche Aufarbeitung

Die Johannes Kepler Universität Linz nimmt ihr 50-Jahr-Jubiläum zum Anlass, auf die Vergangenheit des heutigen Hochschul-Areals zurückzublicken: Die Studie von Historiker Hermann Rafetseder beleuchtet Gelände und Umfeld vor allem zu Zeiten des Nationalsozialismus, eine Ausstellung komplettiert das umfangreiche Projekt der geschichtlichen Aufarbeitung. Die Schau ist bis Jahresende im Bereich des Science Café im Science Park 3 der JKU zu sehen.

„Der runde Geburtstag der Kepler Universität darf kein Anlass sein, nur in Feierlaune und Jubelstimmung zu verfallen“, betont Rektor Meinhard Lukas. „Gerade eine Bildungseinrichtung hat bei der Aufarbeitung eine besondere Verantwortung.“ Rafetseders Studie wirft einen umfassenden Blick auf ein dunkles Kapitel und setzt sich auch mit weiteren Facetten der Vergangenheit des Universitäts-Standortes auseinander.

„Die JKU bekennt sich klar zur Pluralität und vermittelt ihren Studierenden Respekt vor dem Anderen und Fremden, ein Bekenntnis zur unteilbaren und ungeteilten Menschenwürde sowie ein gefestigtes Demokratieverständnis“, unterstreicht Lukas die universitäre Vorbildfunktion. „Denn eines darf nie vergessen werden: Nur wer Vergangenes, in all seinen unterschiedlichen Ausformungen, nicht außer Acht lässt, kann einen positiven Beitrag zur Weiterentwicklung leisten.“

Dunkle Phasen der Geschichte

Hermann Rafetseder verweist auf ein Zitat des früheren deutschen Bundeskanzlers Helmut Kohl in Bezug auf die NS-Vergangenheit seines Landes: „Wer die Vergangenheit nicht kennt, kann die Gegenwart nicht verstehen und die Zukunft nicht gestalten.“ Aber gerade in Linz als vom NS-Regime speziell geförderter einstiger „Patenstadt“ Hitlers sei es ebenfalls angebracht, sich bei Jubiläen auch dunklen Phasen der Geschichte zu widmen, so der Historiker.

Deshalb behandelt die nun vorgelegte, 115-seitige Studie zwar auch die Zeit vor 1938 und nach 1945, vor allem aber die NS-Zeit in Auhof und Dornach. „Dabei gibt es immer wieder auch Aspekte, die an aktuelle Dinge gemahnen“, erklärt Rafetseder und erinnert an die Worte des spanisch-amerikanischen Philosophen Georges Santayana: „Wer sich nicht an die Vergangenheit erinnern kann, ist dazu verdammt, sie zu wiederholen.“

Zusammenfassung der Studie

Nach einer Schlacht von 1809 erlangte das Gebiet rund um Schloss Auhof in der
NS-Zeit neuerlich militärische Bedeutung: Auf von der Schlossliegenschaft abgetrennten und zwangsweise verkauften Starhemberg-Gründen sowie Gebieten vieler anderer BesitzerInnen wurde mit dem Bau einer Kaserne für die SS begonnen. Die verkaufte das Gelände noch im Herbst 1938 an das Heer. Auf den Ankauf des Schlosses (erst unter kommissarischer Verwaltung, dann im Besitz des Reichsgaus Oberdonau) verzichtete die Wehrmacht jedoch.

Für den Bau jener Infanteriekaserne des Heeres gab es im heutigen Science Park-Bereich das „Gemeinschaftslager der Deutschen Arbeitsfront Auhof“ bzw. das „Gemeinschaftslager des Heeres Auhof“, dessen Stempel bloß auf „Heeresbauamt Linz, Neubauleitung Auhof“ lautete, Sollbelegstand 1943: 500 Personen. Dort lebten auch Kriegsgefangene in einem eigenen „Gefangenenlager“-Bereich. In diesem Bereich starb am 2. März 1941 der französische Landwirt Alphonse Gaudin. Zumindest für Jänner 1942 sind dort auch sowjetrussische Kriegsgefangene nachweisbar.

Zwei weitere Lager der NS-Zeit überschnitten sich am Rande mit späterem
JKU-Gelände: Um die Jahreswende 1940/41 entstand, direkt an den heutigen südlichen Parkplatz angrenzend, das „Umsiedlerlager Auhof der Volksdeutschen Mittelstelle“, das in Wahrheit aber bald multifunktional wurde und deshalb in den Akten oft einfach „Lager Auhof“ hieß. Dort wohnten neben „Volksdeutschen“ viele italienische Arbeiter, dann auch Zwangsarbeiter wie der Ende 1944 gestorbene Russe Nikolai Portnenko sowie Zwangsarbeiterinnen wie die Ukrainerin Anna Semenjuk. Sie arbeitete allerdings im benachbarten Lager Dornach als Küchenhilfe.

Das 1941/42 südwestlich des späteren JKU-Bereichs entstandene „Städtische Arbeiterlager Dornach“ hatte 1943 einen Sollbelegstand von 2.500 Personen. 1944/45 waren das bereits überwiegend Zwangsarbeiter, auch einzelne Zwangsarbeiterinnen, die in der dortigen Lager-Infrastruktur arbeiteten, wie etwa die polnische „Bedienerin“ Anna Badowska. Hier waren auch etwa für die Baufirma Mayreder & Kraus arbeitende Franzosen untergebracht.

Pläne für Kaserne und Lazarett

Ab Dezember 1938 (Vorkaufsrecht schon Juli 1938) gehörte dem Heer eine Parzelle an der heutigen Südwestecke des JKU-Geländes. Das war Platzreservierung für eine anfangs riesige Artilleriekasernen-Planung, die erst extrem verkleinert, dann aber nie konkreter wurde. Jene Reservierungs-Parzelle wurde 1943 an die Stadt Linz verkauft. Alternativ dazu waren größere Artilleriebereiche nordöstlich von Schloss Auhof und östlich der Infanteriekaserne vorgesehen, was aber auch immer eher vage blieb.

Sehr konkret geplant wurde ein Heeresstandortlazarett westlich von Schloss Auhof, als Heeresspital fur eine Linzer Friedensgarnison von 10.000 Mann. Die langgestreckten Trakte wären im späteren JKU-Bereich gewesen. Im April 1942 beschwerte sich Hitler über die Art der Planungen: „… daß man heute nicht mehr so baue“. Vermeintlich fixe Grunderwerbungen samt Baubeginn sollten daraufhin „vermutlich nach Kriegsende“ erfolgen. Diese Planung verlief im Sande, irrlichterte aber noch im Februar 1945 in den Akten herum.

1943/44 war als Alternative ein gemeinsames Standortlazarett von Heer und Luftwaffe im Südwesten von Linz im Gespräch. Dazu gab es dann ebenso wenig genauere Planungen wie für eine andere Idee Hitlers: Der wünschte sich 1941/43 zusätzlich zum neu geplanten Linzer Krankenhaus „Süd“ (als Neubau des Allgemeinen städtischen Krankenhauses) ein „städtisches Krankenhaus Nord“. Dieses war erst mit 500, dann nur mehr mit 250 Betten direkt westlich neben dem Heeresstandortlazarett vorgesehen und hätte ebenfalls heutiges JKU-Gelände betroffen.


Quelle: JKU



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