„Ich wünsche mir nur ein demokratisches Österreich“

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„Ich wünsche mir nur ein demokratisches Österreich“
Foto: ÖJC/H.Hochmuth
21 Okt 17:00 2018 von OTS Print This Article

Zeitzeuge Karl Pfeifer mahnt bei Journalistenveranstaltung kritischen Journalismus ein

Wien (OTS) - Als Kooperationsveranstaltung zwischen dem Österreichischen Journalisten Club (ÖJC) und dem Hotel Zeitgeist Vienna fand gestern zum elften Mal ein Abend der Veranstaltungsreihe „Medien im Zeitgeist“ statt. Unter dem Titel „Einzig dem Gewissen verpflichtet?“ war der Journalist und Zeitzeuge Karl Pfeifer im Gespräch mit ÖJC-Vorstandsmitglied und [Statement]-Redakteur Florian Müller im Hotel beim Hauptbahnhof zu Gast. Erstmals wurde die Veranstaltung live auf Okto Community TV übertragen.

1928 in Baden bei Wien geboren, musste der 10jährige Karl Pfeifer mit seiner Familie vor den Nazis nach Budapest flüchten, da sie Juden waren. Auf abenteuerliche Weise schlug sich Pfeifer bis nach Palästina durch, um 1951 nach Europa zurückzukehren, aus „purer Abenteuerlust“. Zunächst schlug sich der mittlerweile mit dem Goldenen Ehrenzeichen für Verdienste um die Republik Österreich ausgezeichnete Karl Pfeifer als Hotelkaufmann durch. Er knüpfte Kontakte zu ungarischen Intellektuellen und bot dem damaligen Außenpolitik-Chef der Arbeiterzeitung, Georg Hoffmann-Ostenhoff, Stories über den „Gulaschkommunismus“ an. Dieser läutete mit dem Satz: „Karl, host a Schreibmaschin‘?“ im zarten Alter von 51 Jahren seine journalistische Karriere ein.

Als Redakteur der jüdischen Zeitschrift „Die Gemeinde“ wurde er zum unermüdlichen Mahner gegen Antisemitismus, egal woher er kam: „Als ich über den Antisemitismus von Kreisky und SPÖ-Leuten schrieb, wurde mir vorgeworfen, dass ich im Solde der ÖVP stehe. Später, als ich Kurt Waldheim kritisiert habe für den antisemitischen Wahlkampf, wurde mir vorgeworfen, dass ich im Solde der SPÖ stehe. In Wirklichkeit war ich besoldet von der Kultusgemeinde.“

Als Karl Pfeifer im Auftrag der „Gemeinde das Jahrbuch der freiheitlichen Akademie rezensierte, attestierte er einem Artikel von Werner Pfeifenberger zahlreiche „Nazitöne“. Pfeifenberger verklagte Pfeifer und verlor in zwei Instanzen. Fünf Jahre nach dem Erscheinen des Artikels erhob die Staatsanwaltschaft Anklage gegen Werner Pfeifenberger wegen Wiederbetätigung, der daraufhin Selbstmord beginn. Was folgte, war eine Kampagne von „Zur Zeit“-Herausgeber Andreas Mölzer gegen Karl Pfeifer, der böse Jude hätte Pfeifenberger in den Tod getrieben. Karl Pfeifer klagte gegen Mölzer, wurde vom Landesgericht für Strafsachen und Oberlandesgericht abgewiesen, erst der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte verurteilte die Republik Österreich zu einer Entschädigung von fünftausend Euro.

Vor diesem Hintergrund ist es mehr als Nachvollziehbar, wenn der heute im Alter von 90 Jahren noch höchst aktive Journalist und Zeitzeuge in Schulen vor einer „Orbanisierung“ Österreichs warnt und auch die Einschränkung der Pressefreiheit in Ungarn plastisch beschreiben kann, ein Land übrigens, aus dem er insgesamt viermal wegen zu kritischer Berichterstattung ausgewiesen wurde. Karl Pfeifer mahnte ein, dass sich Journalistinnen und Journalisten nicht der Verantwortung entziehen können, kritische Fragen zu stellen. Was er sich zu seinem 90. Geburtstag wünsche, fragte Moderator Florian Müller abschließend: „Ich wünsche mir nur ein demokratisches Österreich.“

Die nächste Veranstaltung im Rahmen der Reihe „Medien im Zeitgeist“ findet am Donnerstag, den 15. November 2018 um 19.00 im Vienna International Press Center des ÖJC in der Blutgasse 3, 1010 Wien statt. Thema des Abends: „Neue Strategien für den Journalismus der Zukunft und den der digitalen Leser“ mit Philipp Graf Montgelas und Johannes Eversmann von Readly, Europas größter Magazin-Streaming-Plattform für Magazine.


Quelle: OTS



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