Alpine U-Bahn im Dornröschenschlaf

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Foto: Christina Nöbauer
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02 Sep 20:00 2018 von Redaktion Vorarlberg Print This Article

Zwischen dem Rauriser und dem Gasteiner Tal besteht eine unterirdische Schienenverbindung, seit Jahrzehnten fest versperrt

Warum dank Goldgier ein Tunnel Sportgastein mit Kolm Saigurn am Ende des Rauriser Tals verbindet, warum dieser nicht mehr benutzt wird und warum der Nationalpark keine oberflächliche Angelegenheit ist, verfolgt dieser „Salzburger Grenzfall“ aus der gleichnamigen Serie.

Seit der Antike lockt das Erz in Salzburgs Bergen. Über Jahrhunderte wurde der Radhausberg am Südende des Gasteinertals vom Gold in seinem Inneren befreit. 1557 wurde im Erzbistum die Rekordmenge von 830 Kilo Gold und 2.723 Kilo Silber ausgebeutet. Im 20. Jahrhundert schien der Abbau nicht mehr lohnend, der Nachwelt erhalten blieb der Gasteiner Heilstollen, dessen Radongas in Verbindung mit warmer und feuchter Luft die Rückenleiden der Bergmänner linderte und in den heute Kurgäste hineinrollen.

Fünf Kilometer in 33 Jahren

Einmal noch wollte der Bergbauingenieur Karl Imhof es mit Goldabbau versuchen und ließ 1912 den später nach ihm benannten Stollen auf Sportgasteiner Seite auf 1.624 Metern Seehöhe anschlagen. Er plante großzügig mit einem Stollenprofil von 5,5 Quadratmetern. Bereits im Jahr darauf stießen die Bergleute auf Erz. Im Ersten Weltkrieg trieben bis zu 300 Kriegsgefangene den Stollen zwei Kilometer in Richtung Kolm Saigurn auf Rauriser Seite. Statt weiter zu graben wurde in den 1920er Jahren das Erz im Berg ausgebeutet. Inflation und weniger Funde als erwartet ließen den Abbau allmählich zurückgehen. 1938 kamen der Anschluss und damit deutsche Interessen am Tauerngold. Mit neuem, leistungsfähigerem Gerät wurde bis zu drei Kilometer Stollenlänge weitergegraben, eine Akkulokomotive pendelte mit Mannschaft und Erz zwischen Eingang und Lagerstätten. Trotz Befehls aus Berlin im August 1944, den Goldbergbaubetrieb wegen Unwirtschaftlichkeit einzustellen, wurde der Tunnel noch ein halbes Jahr weitergegraben. 33 Jahre nach Baubeginn war die Rauriser Seite in Kolm Saigurn erreicht.

Kurzlebige Touristenattraktion

Knapp fünf Kilometer Tunnel waren gegraben, nun fehlte es an Gold und Geld. Ein erster Versuch zur touristischen Verwertung wurde in den frühen Nachkriegsjahren gestartet. Im Sommer fuhren knappe 3.500 Besucher durch den Stollen. Doch die Sicherheitsauflagen konnten nicht erfüllt werden, weshalb für mehr als drei Jahrzehnte Ruhe im Berg einkehrte. 1988 wurde ein Schaubergwerk in der Stollenmitte eingerichtet und ab 1992 der Zugbetrieb wieder aufgenommen. Doch auch dieser zweite Versuch rentierte sich nicht, schon ein Jahr später folgte das Aus.

Nationalparkidee nicht untergraben

Dafür gab es neue Stollenpläne. Das weiße Gold südlich von Sportgastein lockte die Mölltaler Gletscherbahnbetreiber in Kärnten. Mit einem Lift zum Gipfel des 3.122 Meter hohen Scharecks wäre das Skigebiet auf die Salzburger Seite hinübergewachsen. Doch hätte man sich dort im Nationalparkgebiet befunden, was Naturschützer und Alpinvereine auf den Plan rief. Was oben gilt, muss unten nicht sein, dachten sich die findigen Planer und schlugen eine unterirdische Stollenbahn vor. Die Idee fiel im Gasteinertal auf fruchtbaren Boden. Der ehemalige Landesumweltanwalt Eberhard Stüber sah jedoch ein „Zweites Hainburg“ drohen. Begraben hat die Stollenpläne schließlich ein Machtwort des Landeslegisten: Der Nationalpark reiche rechtlich gesehen bis zum Erdmittelpunkt.

Für Wiederbelebung braucht es Einigkeit

Bleibt also der Imhofstollen als bezirksübergreifende Tälerverbindung. Gegen eine sanfte Nutzung hätte man aus Nationalparksicht nichts einzuwenden. „Der Tunnel ist schließlich älter als der Nationalpark und schon gegraben. Solange es aber keine konkreten Projektideen gibt, die sowohl von Rauriser als auch von Gasteiner Seite mitgetragen werden, bleibt der Stollen weiter ungenutzt“, bestätigt Nationalpark-Direktor Wolfgang Urban. Die Röhre im Berg wird also weiter schlummern – bei Dornröschen waren es hundert Jahre. In dieser Zeit könnte sich sogar eine U-Bahn für die Stadt-Salzburger ausgehen.

Kurioses über Grenzen hinweg

Die Salzburger Grenzfälle versammeln Kuriositäten rund um die Grenzen Salzburgs und bilden eine aufschlussreiche Lektüre zu Geschichte, Landeskunde und Politik des Bundeslandes. Der Autor Stefan Mayer beschäftigt sich seit 2002 mit grenzfälligen Besonderheiten in und um Salzburg. Er gestaltet die monatliche Serie "Grenzfälle", von der bereits vier Bücher erschienen sind. Band 4 kann per E-Mail an [email protected] bzw. telefonisch unter 43 662 8042-2417 um 6,90 Euro bestellt werden. Digitale Versionen aller vier Bände stehen unter www.salzburg.gv.at/grenzfaelle zum kostenlosen Herunterladen zur Verfügung. Einzelne Grenzfall-Artikel können jederzeit abgerufen werden.


Quelle: Land Salzburg



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Chefredakteur von Regionews Vorarlberg

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